Altgrasstreifen
Von Spaziergängern werden sie nur selten bewusst wahrgenommen: die mehr als 1,7 Hektar umfassenden Feuchtwiesen südlich des Anglersees. Doch auch wer genauer hinsieht, wird die Flora und Fauna, die in diesem ökologischen Kosmos zu finden ist, in ihrer Gesamtheit nicht erkennen können, denn die Aktivitäten in den Feuchtwiesen spielen sich zumeist im Verborgenen ab. Eine Vielzahl an Insekten, Vögeln und Kleinsäugern findet dort geeignete Lebensräume und Rückzugsmöglichkeiten - allerdings nur, weil die Wiesen gepflegt werden.
Die oft diskutierte Frage, ob und inwiefern der Mensch in die Natur eingreifen soll, stellt sich hier nicht. Denn ohne die regelmäßige Pflege einer Wiese würden sich innerhalb kurzer Zeit immer mehr Büsche ausbreiten und es würde letztendlich Wald entstehen.
Angelegt wurden die Feuchtwiesen südlich des Anglersees als bauplanungsrechtliche Ausgleichsmaßnahme aus den Bebauungsplänen „Bruchrain“ und „Fünfvierteläcker“. Die richtige Pflege ist das A und O, um die Feuchtwiesen zu erhalten. Hierzu gehört insbesondere die Mahd. Zweimal im Jahr - im Frühling und im Herbst - werden die Wiesen gemäht, jedoch nicht auf der gesamten Fläche. Um die negativen Effekte einer Mahd abzumildern, werden - abwechselnd zu den gemähten Bereichen - ca. 1 bis 5 Meter breite Altgrasstreifen stehengelassen, so dass 10 Prozent der Wiese unberührt bleiben. Die Streifenform ist wichtig, damit eine größere zusammenhängende Fläche erhalten bleibt, in die sich auch weniger mobile Kleintiere zurückziehen können.
Die Altgrasstreifen vom Frühjahr werden auch bei der zweiten Mahd im Herbst nicht gemäht, sondern erst im darauffolgenden Frühjahr. Dann werden auf der Feuchtwiese an anderer Stelle neue Altgrasstreifen stehengelassen. Auf diese Weise dauert es mehrere Jahre, bis sich ein Altgrasstreifen wieder an derselben Position befindet.
Altgrasstreifen werden von Tieren unter anderem als Rückzugsorte, zur Eiablage und zum Überwintern genutzt, denn in den Altgrasstreifen finden sie Unterschlupf und Nahrung. Würde man die komplette Wiese mähen, hätten die Tiere keinen Lebensraum mehr und müssten auf andere Flächen ausweichen, was je nach Umgebung schwierig sein kann.
Neben Insekten und Spinnen nutzen bodenbrütende Vogelarten, Reptilien und Amphibien sowie auch Feldhasen die Schutzstrukturen aus Altgrasstreifen. So bleibt der Lebensraum vieler Kleintierarten erhalten und es ist ein positiver Effekt auf die Individuenzahl und die Artendiversität zu verzeichnen.
Das Anlegen von Altgrasstreifen bei der Wiesenmahd ist eine kostengünstige und effektive Methode zur Verbesserung des Lebensraumes Wiese. Es lohnt sich, bei einem Spaziergang südlich des Anglersees einen längeren Blick auf die Feuchtwiesen zu werfen und deren ökologische Bedeutung wahrzunehmen. sas/Fotos: Stang
Wer selbst aktiv werden möchte, kann dies in seinem eigenen Garten tun: Auch dort muss nicht immer alles gemäht und aufgeräumt werden. Igel und andere Gartenbewohner werden es danken.